Das Ende der
Hauptnachrichtenzentrale
Die letzten Monate der Nachrichtenzentrale
“Wostok” - ein Zeitzeugenbericht
Ereignisse, Fakten, Zustände
Strausberg, Stadt a. See
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Seit Wochen und Monaten gibt es keine verlässlichen Informationen. Fragen zu gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen in der DDR bleiben unbeantwortet. Sie werden
überwiegend aus den Reihen der Berufssoldaten gestellt, die ca. 60 % der Armeeangehörigen in der Hauptnachrichtenzentrale (HptNZ) ausmachen. Alle verdammen die
Sprachlosigkeit von Partei- und Staatsführung der DDR, fühlen sich von einer Armeeführung im Stich gelas-sen, für die sie als Nachrichtensoldaten rund um die Uhr im Ein-
satz stehen. Besonnen und mit hohen Pflichtbewusstsein erfüllen Sie ihren konkreten Auftrag. Aus anderen Dienststellen werden vereinzelt Unruhen aus dem Personalbe-
stand gemeldet. Gesellschaftliche Änderungen stehen bevor, doch in welche Richtung gehen sie, wie sehen sie aus, Fragen die sich niemand beantworten kann.
Die Verwaltung 2000 (Militärabwehr, MfS) ist aufgelöst, im Kalenderplan Januar werden die Delegiertenkonferenz der FDJ im Bereich des Hauptstabes, die der Sportorgani-
sation des MfNV, die Massenkontrollen der FDJ u.a. gestrichen. Für Nachrichtenverbindungen werden in einzelnen Richtungen Programmzeiten eingeführt, d.h. sie werden
nicht mehr durchweg über 24 Stunden betrieben. Mitglieder der Bürgerbewegung „Neues Forum“ drängen auf Einsicht in die Nachrichtenzentrale 2 des Sondernetzes 1 in
Strausberg. Sie vermuten in dem Bunker eine Stasi- Abhörzentrale. In der Fontanestraße in Strausberg ist die Wacheinheit zur Bewachung der Wohngrundstücke des Minis-
ters und seiner Stellvertreter abgezogen worden, das Wachgebäude verweist. Im Operativen Führungszentrum (OFZ) des Ministeriums hat eine militärpolitische Analyse-
gruppe ihre Arbeit aufgenommen. So stellt sich die Lage Ende Januar 1990 dar. Alle diese Besonderheiten und Veränderungen bleiben dem Personalbestand der Zentrale
nicht verborgen, sorgen für Gesprächsstoff, lösen neue Fragen aus.
Die politisch- moralische Zustand in der HptNZ ist geprägt von einer beginnenden und um sich greifenden Unsicherheit. Sie konzentriert sich im besonderen bei den Berufs-
soldaten. Sie bilden zugleich den Kern des Personalbestandes. Zukunftsangst paart sich mit dem Pflichtgefühl zur Erfüllung ihres Auftrages. Und der besteht in der Erhal-
tung der Arbeits- und Einsatzbereitschaft aller Elemente der Nachrichtenzentrale und in der Aufnahme, Halten und Betreiben befohlener Nachrichtenkanäle im Interesse des
Informationsaustausches des Ministeriums. Sie sehen ihre Arbeitsplätze bedroht von einer politischen Entwicklung, die keiner voraussagen kann. In enger Kooperation mit
den Soldaten auf Zeit, denen im Grundwehrdienst und den Zivilbeschäftigten stellen sie sich ihrer Aufgaben. Die Durchführung des Nachrichtenbetriebsdienstes als Ge-
fechtsdienst in der Nachrichtenzentrale ist nicht einfach, erfordert eine hohe Bereitschaft, Konzentration und fachliche Meisterschaft. Erschwerend die psychologischen Be-
lastungen der Arbeit unter den Bedingungen eines Schutzbaus.
Der Dienst schafft Abwechslung, lenkt ab von bohrenden Fragen zur gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR. Die Motivation ist hoch. Vom Einsatz jedes Einzelnen hängt
der Erfolg ab, der weder beziffert, genannt, noch voraus zu sehen ist. Und dieser Erfolg ist vorhanden, wenn weder aus der vorgesetzten Verwaltung Nachrichten, noch von
der Führung des Ministeriums kritische Bemerkungen zu vernehmen sind. Auch Widerstände gegen allgemeine Bestimmungen der Dienstdurch-führung oder gegen Vorge-
setzte, wie sie aus anderen Bereichen zu vernehmen sind, werden nicht registriert, gibt es nicht. In den Schulungen der Gesellschaftlichen Weiterbildung, ab Mitte Januar im
Rahmen der staatsbürgerlichen Arbeit, wird offen und ohne Zurückhaltung diskutiert. Spekulationen und Gerüchte schießen ins Kraut.
Es müssen besondere Zeiten angebrochen sein, wenn für außerplanmäßige Kuriereinsätze plötzlich Hubschrauber und Flugzeuge zur Verfügung stehen. Besondere Vor-
kommnisse in der NVA, z.B. das Ansteigen von bedrohlichen Handlungen gegenüber Dienststellen der NVA möge durchaus ein Grund dafür sein. Aber, es wird auch „abge-
rüstet“ in den Tagen des Februar 1990. Die Verwaltung Inspektion im MfNV wird aufgelöst, ein Amt für die Berufsvorbereitung und Überleitung von Berufssoldaten in einen
Arbeitsprozess außerhalb der Streitkräfte eingerichtet. Es sind die ersten Zeichen für eine geordnete Auflösung oder Überführung der NVA. Wohin aber ?, keine Antwort.
Neue Strukturen werden diskutiert, Ideen gestreut und verbreitet. Man könnte es als eine Form von „Beschäftigungstheorie“ bezeichnen, was da so alles aus dem MfNV zu
vernehmen ist. Womit sollten sich die vielen Stabsarbeiter sonst auch befassen. Es sind Berufssoldaten wie die der HptNZ, alle mit ungewisser Zukunft.
Die Arbeit an der Struktur 95 in der NVA ist noch im Gange, auch in der HptNZ ist sie noch nicht abgeschlossen. Der Chef Nachrichten im MfNV zieht aus einer diskutierten
neuen Grobstruktur der NVA Schlussfolgerungen für die Nachrichtentruppe und unterweist in einer Dienstberatung die Kommandeure der Nachrichtenbrigade, Nachrichten-
truppenteilen, Einrichtungen und Einheiten. Sie orientieren auf eine lange Periode von Sicherheitspartnerschaft mit dem bisherigen „Feind“. Die neue Bezeich-nung für den
Chef Nachrichten, Chef Fernmeldedienste. Details der Schlussfolgerungen:
- Auflösung des Nachrichten- Instandsetzungs- Regimentes (NIR) des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesens bis zum 30.Juni 1990,
- Schaffung von Nachrichtenkommandanturen, zentral und in den Wehrbereichskommandos,
- Fortbestand einer Nachrichtenbrigade in Niederlehme,
- Sicherstellung der operativen Betriebsführung durch eine HptNZ, unterstützt von Elementen der Nachrichtenzentrale 2 des Sondernetzes 1,
- Einsatz der Zentralstelle für Schaltung und Betrieb (ZfSB) für die Kontrolle und Revision der Nachrichtennetze,
- Reduzierung der Zentralstelle für Nachrichtennetze Niederlehme um ca.50%,
- Verstärkung der Nachrichtenführungsstellen durch Schalt- und Befehlsstellen sowie Dispatcher (zur Führung des Stabsnetzes),
- Anbindung der Militärtechnischen Schule der Nachrichtentruppen Frankfurt(O) an den Bereich Schulen oder Reduzierung auf Kompaniestärke,
- Kürzung der Stärke der Nachrichtenwerkstatt 2 Frankfurt (O),
- Auflösung oder Kürzung des Bestandes des Nachrichten- Gerätelagers 2 in Rechlin,
- Bildung von Feldpost-Sammelstellen.
Wie sollten diese Schlussfolgerungen verstanden werden ?. Zum Abbau von Existenzängsten bei den Berufssoldaten in der HptNZ tragen sie nicht bei. Die trotzen den dro-
henden, unabwendbaren Veränderungen in Armee und Gesellschaft, beweisen ein hohes Maß an Zuverlässigkeit. Gemeinsam mit den Soldaten auf Zeit ringen sie um die
Erfüllung ihres Auftrages. Wie eine verschworene Gemeinschaft sichern sie den mündlichen und schriftlichen Informationsaustausch, nicht nur für die Nutzer des MfNV, auch
für die am Standort Strausberg. Unbeeindruckt von den Ereignissen in anderen Dienststellen, die z.T. bedrohliche Ausmaße angenommen haben, wie z.B. Streiks, Revolten,
offener Widerstand gegen Vorgesetzte. Als Leiter der Nachrichtenzentrale und des Truppenteils Hauptnachrichtenzentrale fühle und denke ich wie die mir unterstellten Ar-
meeangehörigen und Zivilbeschäftigten. Meine persönliche Situation unterscheidet sich nicht von der meiner Nachgeordneten. Betrachtet aus dem Blickwinkel der Dienst-
stellung und fokussiert auf die Verantwortung, sieht das natürlich anders aus. Schon längst fahre ich mein Dienstfahrzeug allein. Mein Arbeitstag hat in der Regel auch 12 Ar-
beitsstunden.
Ein gewaltsames, organisiertes Eindringen von Teilnehmern der Bürgerbewegung in Diensträume von Dienststellen mit sicherheitsrelevanten Charakter werden im allgemei-
nen nicht mehr ausgeschlossen. Überall werden Abhöranlagen der Staatssicherheit vermutet, die man in Besitz nehmen oder zerstören möchte.
Mit Besonnenheit werden in der HptNZ Maßnahmen zur Sicherung der sensiblen SAS- und Chiffriertechnik eingeleitet, der Plan „PEREMENA“ in Kraft gesetzt. Er sieht bei
bevorstehenden Gefahren die Evakuierung der gesamten SAS- und Chiffriertechnik in die 20.Gardearmee der Westgruppe der Streitkräfte der UdSSR nach Eberswalde vor.
Die Transporttechnik steht Tag und Nacht bereit, die Transportgenehmigungen des Zentralen Chiffrierorgans der DDR liegen vor. Details sind mit den zuständigen Nachrich-
tenexperten der 20.Gardearmee abgesprochen. Die Entscheidung zur Evakuierung liegt ggf. auch in der Verantwortung des Leiters.
Der erste General der NVA, Chef des Politorgans beim Chef des Hauptstabes, reicht Mitte März 1990 seine Entlassung aus der NVA ein. Er scheint vorausschauen zu kön-
nen, wird von vielen seiner Kollegen belächelt. Seine Bewerbung als Zivilbeschäftigter/ Fernsprecher in der HptNZ verschafft ihm zwar Sympathie im Personalbestand, weni-
ger trägt der Schritt zur Motivation bei. Mit Zustimmung der Gewerkschaftsleitung erfolgt die Einstellung. Bis zu seiner „Entfernung“ im November 1990 durch den Chef des
Bundeswehrkommandos Ost wegen sicherheitsrelevanter Bedenken, arbeitet er vorbildlich. Ein ehemaliger NVA- General in der Funktion als Fernsprecher einer Vermittlung
der Bundeswehr, er könnte zur Gefahr werden, ist „zu entfernen“, so steht es wörtlich in einer Gesprächsnotiz für den Bundeswehrgeneral Schönbohm. Nach einer Besich-
tigung der Nachrichtenzentrale im November 1990 wurde die Gesprächsnotiz aufgefunden.
Der „Rausschmiss“ des ehemaligen NVA- Generals aus der NVA wird mit einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung verhindert die Umsetzung innerhalb auf einen anderen
Dienstposten nicht. Einer ähnlichen Konfrontation entgeht der ehemalige Chef des zentralen Chiffrierorgans der DDR mit einer ordentlichen Kündigung seines Arbeitsrechts-
verhältnisses. Auch er hatte sich im Frühjahr 1990 für eine niedrig bezahlte Planstelle in der HptNZ beworben, wurde mit Zustimmung der Gewerkschaftsleitung und des
Arbeitskollektivs eingestellt.
Besonders Soldaten auf Zeit haben von der Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung Gebrauch gemacht. Der Personalbestand schrumpft, die Belastung für das verbleiben-
de Personal steigt. Die Reduzierung und der Ausfall von Ausbildungsmaßnahmen sowie weitere Einschränkungen in der Dienstorganisation zugunsten der Belastung des
Personalbestandes stehen im krassen Gegensatz zu den weiterhin gelten Dienstvorschriften und Befehlen. Ich fühle mich wie zwischen Baum und Borke. Es ist ein Balan-
ceakt des Gewissens, ein Widerspruch zur praktizierten Verantwortung. Im Falle besonderer Vorkommnisse mit Auswirkungen auf Leben und Gesundheit habe ich keine
Chance, kann weder auf Unterstützung noch auf Entlastung durch Vorgesetzte hoffen. Worte des Chefs des Hauptstabes der NVA im Zusammenhang mit seiner Einschät-
zung zur militärpolitischen Lage in der NVA klingen heuchlerisch: „Die Situation in den Streitkräften ist kompliziert und angespannt; dort wo eigenständige Entschlüsse durch
die Kommandeure gefasst werden, ist die Lage in Ordnung“. Ja, in der HptNZ ist die Ordnung gewährleistet, der riskierte Preis ist hoch. Weder gibt es Verstöße im Nachrich-
tenbetriebsdienst, Disziplinverletzungen noch Ungehorsam gegenüber Vorgesetzten.
Der Name des Ministerium für Nationale Verteidigung wird der politischen Entwicklung in der DDR angepasst. Im Zusammenhang damit Entscheidungen zur neuen Führung
im Ministerium für Abrüstung und Verteidigung (MfAV) längst getroffen. Ihre vorübergehenden Wohnaufenthalte im Gästehaus Schloss Wilkendorf werden vorbereitet. Einige
von ihnen werden später Nachnutzer der Wohnungen des Chefs des Hauptstabes und des Chefs im Kommando Luftstreitkräfte/ Luftverteidigung. Minister Eppelmann be-
zieht eine Wohnung in Berlin, umfangreich der Personal-, Material- und Zeiteinsatz zur Installation der Kommunikationstechnik. Die eingesetzten Armeeangehörigen der
HptNZ zeichnen sich durch fachliches Können, zielstrebige Arbeit und hohe Loyalität gegenüber den neuen Dienstherren aus.
Ernsthaft wird der Sinn einer für den Sommer geplanten umfangreichen Rekonstruktion der Funksendezentrale der HptNZ in Kagel diskutiert. Groß der Aufwand für die er-
satzweise Bereitstellung von mobiler Funksendetechnik aus der 2.Nachrichtenbrigade. Trotz ungewisser Entwicklung wird der Beginn der Rekonstruktion für Anfang Juli 1990
bestätigt. Die Entscheidung wird später von den politischen Ereignissen überholt.
Einrichtungen der NVA und vormilitärische Formationen haben ihre Daseinsberechtigung verloren. Das Militärtechnische Institut in Königs Wusterhausen, die gedeckt vorbe-
reitete Führungsstelle der Politischen Hauptverwaltung der NVA in Niederlehme und die Gesellschaft für Sport und Technik hören auf zu existieren. Die Einstellung der Arbeit
und ihre Streichung in den Betriebsunterlagen der Nachrichtenzentrale sind der Anfang einer rigorosen Schrumpfung im Nachrichtensystem.
Wer den Ereignissen nicht folgen kann, hat den Ernst der Lage nicht erfasst. Als Nachrichtensoldaten im Zentrum, konfrontiert als Erste mit den Entscheidungen zur Redu-
zierung, verbunden mit der Abschaltung bestehender Nachrichtenverbindungen, begreifen die Aktionen als Abwicklung der NVA. Mit jedem weiteren Abgang von Einrichtun-
gen und Strukturen der NVA und staatlichen Einrichtungen werden Nachrichtenverbindungen reduziert, sterben Hoffnungen. Erstaunlich wie gelassen die Angehörigen der
HptNZ reagieren, ihre Aufgabe erfüllen. Ein Grund möge die hohe Belastung sein, sie lenkt ab von Gedanken an das eigene Schicksal und Perspek-tive. Persönlich geht es
mir ähn-lich. Mein Auftrag ist klar und eindeutig formuliert, verantwortlich zu sein für den Nachrichtenbetriebsdienst als Gefechtsdienst in der Nachrichtenzentrale. Angesichts
der sich ständig verändernden Personallage eine immer komplizierter werdende Angelegenheit.
Nicht weniger hoch der Einsatz aller Zivilbeschäftigten. Es sind rd. 70 Personen die dafür verantwortlich zeichnen, das administrative und technische Bereiche sowie die Lo-
gistik funktionieren. Eine starke Unterstützung der Armeeangehörigen im täglichen Ringen um zuverlässig und standhaft arbeitende Nachrichtenverbindungen. Einige von ih-
nen arbeiten als Fernsprecher im Schichtdienst. Es sind überwiegend weibliche Angestellte. Ihnen allen gehört die Aufmerksamkeit in den Beratungen zur Einführung eines
Prämienzeitlohnes im April 1990. Komplikationen gibt es nicht, die Zusammenarbeit funktioniert.
Komplizierter ist eine schnelle Reaktion auf die ständigen Veränderungen. Es vergeht kein Tag ohne sie. Der Einrichtung des Institutes Verifikation und die Verlegung des
Führungspunktes „STOCKHOLM INSPEKTION“ in ein Kasernenobjekt außerhalb des MfAV folgen umfangreiche Einsätze zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit in den Dienst-
räumen der neuen Dienstherren und deren Nachgeordneten im MfAV. Endstellentechnik muss installiert, beschaltet und zur Nutzung erklärt werden. So genannte Vorzimmer-
oder Sekretäranlagen wirken wie „Wunderwerke“ auf Nutzer mit Kenntnissen zur Nutzung eines einfachen Telefonapparates. Von den Besonderheiten der Nutzung unter-
schiedlicher Nachrichtennetze ganz zu schweigen.
Die Art und Weise der Begegnung mit den neuen Dienstherren bereichert persönliche Erfahrungen. Respekt, Achtung und Aufmerksamkeit gehören zum guten Ton, vermit-
teln das Gefühl einer eigenen Überlegenheit. Ein Gefühl, eine neue Erfahrung die man auf dieser Führungsebene nicht immer erwarten konnte. Vordergründig stehen weder
das „Strammstehen“ noch das „zu Befehl“. Fragen werden in lockerer Form gestellt und beantwortet, Hinweise und Empfehlungen hinterfragt. Mein Vor-schlag zur Prüfung
der Aufnahme von direkten Fernsprechverbindungen zwischen den Ministerien in Bonn und Strausberg wird mit einer Einladung für Gespräche in Bonn beantwortet. Wenige
Tage später sitze ich im Flieger nach Bonn und den zuständigen Herren auf der Hardthöhe gegenüber. Gespräche, die überaus wichtig waren und Grundlage für kontinuier-
liche, weiterführende Konsultationen mit den Experten der Fernmeldezentrale des BMVg. Ende Mai 1990 können die ersten direkten Verbindungen in Betrieb genommen
werden.
Die Kontakte zwischen den Verwaltungen und Abteilungen der beiden Ministerien haben in den letzten Wochen stark zugenommen. Zur Kommunikation wurden die wenigen
und qualitativ schlechten öffentlichen Wählverbindungen zwischen beiden Ländern genutzt. Mit der Aufnahme direkter Fernsprechsprechverbindungen zwischen Strausberg
und Bonn sowie der Aufschaltung eines Ausnahmehauptanschlusses eines Westberliner Vermittlungsamtes auf die Fernsprechvermittlung der Nachrichtenzentrale des MfAV
werden günstigere Bedingungen für den Informationsaustausch zwischen Ost/ West und umgekehrt getroffen.
Parallel zu den Aktivitäten stehen ernsthafte Probleme der Aufrechterhaltung des Nachrichtenbetriebsdienstes in der Nachrichtenzentrale im Mittelpunkt. Trotz Reduzierung
von Nachrichtenverbindungen, der Kürzung von Betriebszeiten in einzelnen Richtungen, der Außerkraftsetzung von Maßnahmen der Schaltgefechtsbereitschaft im Sonder-
netz 1 oder der Verlängerung von Zeiten zur Herstellung der Führungsbereitschaft, die Grenze der Belastung des Personalbestandes ist erreicht. Die Teilnahme an politische
Bildungsmaßnahmen ist stark eingeschränkt, gesellschaftliche Aktivitäten werden weitestgehend ausgesetzt, allgemeine Ausbildungsmaßnahmen sind eingestellt. Nach Ge-
sprächen mit dem Kommandeur der 2.Nachrichtenbrigade folgen entlastende Kommandierungen aus Niederlehme. Es sind überwiegend Funker und Angehörige des SAS-
und Chiffrierdienstes. Die Probleme werden noch verschärft durch eine Grundsatzentscheidung des Ministerrates der DDR zur Versorgungsordnung der NVA bei Entlassung/
Reduzierung der Streitkräfte aus strukturellen Gründen. Berufssoldaten werden günstige Bedingungen in Form einer erweiterten befristeten Versorgung bei Entlassung nach
Vollendung des 50.Lebensjahres, weniger als 25 Dienstjahren u.a., zugesichert. Nicht wenige bean-spruchen die Vergünstigungen, reichen ihre Entlassung ein. Dagegen
bleiben die gleichfalls beschlossenen Verpflichtungsprämien (monatlich 200,- DM) bei Verpflichtung zu längerer Dienstzeit von Soldaten im Grundwehrdienst und bei Solda-
ten auf Zeit (SaZ) wirkungslos.
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